01.02.2022

Wie geht eigentlich christliches Beten?

Beten ist zuerst einmal schlicht und einfach eine Frage der Zeit. Wir wissen, dass wir manchmal für alles Mögliche und oft auch Unmögliche Zeit haben, nur nicht für Gott, unseren Schöpfer, und für das Gebet. Doch genau darum geht es. Wir müssen uns die Zeit nehmen, dass wir in die Stille gehen können, um mit Gott allein zu sein. Das kann in der Früh sein, wenn alle anderen noch schlafen. Es kann aber auch tagsüber sein oder bevor wir zu Bett gehen. Viele christliche Ehepaare nehmen sich z. B. ganz bewusst gemeinsam Zeit für das Gespräch mit Gott. Wie immer wir es machen, wichtig ist nur, dass wir in diesen Momenten ganz für Gott da sind.

Solange wir noch wenig Erfahrung darin haben, kann es sein, dass uns gerade in diesen Momenten, in denen wir uns in diese Stille zurückziehen, plötzlich alle möglichen Gedanken kommen, sodass an Stille gar nicht zu denken ist. Wir haben es vielleicht geschafft, uns die Zeit zu nehmen, in die Stille zu gehen und „zur Ruhe zu kommen“. Doch genau das Gegenteil ist daraus geworden. Was nun?

All die Gedanken, die Sie in dieser Zeit überkommen, sind letztlich nur ein Beweis dafür, dass jemand ein großes Interesse daran hat, Sie davon abzubringen, dass Sie in die Nähe Gottes kommen. Doch es wird von Mal zu Mal besser werden, je entschiedener Sie diese Stimmen ignorieren und sie in die Schranken weisen.

In einem Text aus dem vorigen Jahrhundert heißt es dazu in drastischen Worten: „10.000 Feinde stehen auf, die uns davor zurückhalten wollen. Es scheint, dass Satan sich nicht darum kümmert, wie wir uns beschäftigen, solange wir nur nicht das Angesicht unseres Vaters suchen; aber der große Verführer weiß sehr wohl, dass er uns in seiner Gewalt hat, wenn er nur die Gemeinschaft zwischen uns und Gott verhindern kann.“

Wer regelmäßig zu Gott, dem Vater, betet, der wird aber auch feststellen, wie dieser Kampf in unserem Inneren zu Ende geht. Am Ende verspüren wir nur noch dieses Gefühl einer wunderbaren Stille und die Anwesenheit Gottes. Wir dürfen uns nur nicht davon abbringen lassen, zu Gott zu kommen und zu ihm zu beten, dann verstummen auch diese inneren Stimmen mit der Zeit. Wenn diese Ruhe einkehrt, fängt das eigentliche Gebet erst an. Georg Müller, der große Beter des 19. Jahrhunderts schreibt: „Dass Gott seine Kinder hat, die zu ihm beten, das wissen wir und darüber freuen wir uns. Doch reißen die schrecklichen, abwärts gehenden Strömungen dieser letzten Tage auch viele Christen mit sich.

"Der große Feind der Seelen hätte sich keinen tödlicheren Plan ausdenken können, um die Gläubigen mit fortzureißen, als den, ihre Gebetsverbindungen mit Gott zu unterbrechen.“

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Wer nicht betet, versäumt viel

„Erst ließ ich das Beten ein paar Mal aus“, sagte einer, „dann immer öfter, und so kam es, dass ich eines Tages alles aufgegeben hatte und wieder zurückging, von woher ich kam, aber nicht mehr sein wollte.“ Diesem kleinen Bekenntnis können wir entnehmen, wie wichtig es ist, dass wir nicht nur einmal kurz beten und dann wieder alles fallen lassen. Ernsthaftes Gebet ist wie die Pflege einer Liebesbeziehung zu unserem Vater im Himmel. Wir alle wissen, was es bedeutet, einen anderen Menschen zu lieben. Wir möchten Zeit mit ihm verbringen, mit ihm sein, uns an ihm erfreuen und von ihm erfreut werden. Deshalb ist es so wichtig, dass wir regelmäßig zu Gott beten. In Psalm 5 heißt es in Vers 4: „Herr, frühe wollest du meine Stimme hören, frühe will ich mich zu dir wenden und aufmerken.“

Ein solches Ritual hilft uns, den Tag mit Gott zu beginnen. Georg Müller, der große Beter, schreibt: „Ich habe immer wieder die Erfahrung gemacht, dass ich aufgeräumter in den Tag gehe, wenn ich mich zuerst sammle und bete. Vieles klärt sich, wenn ich meine Anliegen vor Gott ausbreite, ihn um Führung und Leitung bitte. Und umgekehrt: Spare ich mir hingegen das Gebet aus angeblichem Zeitmangel, verliere ich oft später viel Zeit.“

Wichtig ist, dass wir wissen: Gott hat alle Macht, nichts ist ihm unmöglich. Deshalb sagt Jesus Christus: „Bittet, so wird euch gegeben! Suchet, so werdet ihr finden! Klopft an, so wird euch aufgetan!“ (Matthäus 7,7). Und was heißt das anderes, als dass wir aufgefordert werden, mit unseren Bitten zu Gott zu kommen und ihn zu suchen. Wir können Gott unsere Gedanken und Anliegen ganz einfach und direkt sagen. Jesus verstärkt diese Aufforderung noch, indem er sagt: „Wenn schon ihr euren Kindern gute Gaben gebt, wie viel mehr wird euer Vater im Himmel denen gute Gaben geben, die ihn darum bitten!“ (Matthäus 7,11) . Wenn das keine Ermutigung ist, zu Gott zu beten, was dann?

Die Frage ist, ob wir Jesus vertrauen und ihm glauben

Davon hängt auch ab, wie wir zu Gott beten und was wir auf unser Gebet hin empfangen. Ein Beispiel für das Gebet eines tiefen Vertrauens ist das „Vater Unser“ (lat. „Pater Noster“). Es ist das Gebet, von dem man sagt, dass es die ganze Welt umspannt. Vom Aufgang der Sonne bis zum Untergang; überall auf der Welt wird dieses Gebet gebetet.

In unserer europäischen Hochmütigkeit vergessen wir viel zu leicht, wie viele Menschen, die an Jesus glauben, überall auf der Welt, dieses Gebet tagtäglich beten. „Das Gebet des Herrn“ ist das Gebet, das  Jesus uns als Mustergebet hinterlassen hat. Er gab es seinen Jüngern, als diese eines Tages zu ihm kamen und baten: „Herr, lehre uns beten...!“ (Lukas 11,1).

Augustinus (354–430 n. Chr.), der große Philosoph des Altertums, verwies bereits auf die Einmaligkeit des „Vater Unsers“, als er sagte:

„Geht sämtliche Gebete durch, die sich in der Schrift finden. Meines Erachtens könnt ihr darin nichts finden, was nicht im Gebet des Herrn alles schon enthalten wäre“ (Epistola 130,12,22).

1000 Jahre später  verwies auch Thomas von Aquin (1225–1274) noch einmal darauf: „Das Gebet des Herrn ist das vollkommenste ... In ihm wird nicht nur um alles gebeten, wonach wir in richtiger Weise verlangen können, sondern auch in derjenigen Reihenfolge, in der wir danach verlangen sollen; so lehrt uns dieses Gebet nicht bloß bitten, sondern formt auch unser ganzes Gemüt“ (Summa Theologiae 2-2,83,9). Es verwundert also nicht, wenn dieses Gebet heute als das Mustergebet gesehen wird, an dem wir uns orientieren können. Die ersten Christen beteten dieses Gebet „dreimal am Tag“ (Didaché 8,3). Selbst die liturgische Überlieferung der Kirche hat die authentische Fassung, wie wir sie im Matthäusevangelium finden, beibehalten:

„Vater unser im Himmel, geheiligt werde dein Name, dein Reich komme, dein Wille geschehe wie im Himmel, so auf Erden. Unser tägliches Brot gib uns heute. Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern. Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen. Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.“

Vom Beten – Ole Hallesby

Ole Hallesby, einer der einflussreichsten Christen des 20. Jahrhunderts in Norwegen, hat ein wichtiges Buch über das Beten geschrieben, das heute noch erhältlich ist.¹ Es trägt den Titel: „Vom Beten“. Geschrieben 1927, wurde es nach dem Krieg ins Deutsche übersetzt, wo es mehr als 200.000 mal verkauft wurde. In den USA galt dieses Buch schon lange vorher als Bestseller und wurde dort über eine Million mal verkauft. Inzwischen ist das Buch „Vom Beten“ in 34 Sprachen übersetzt. Hallesby schreibt: „Ich habe viel gesündigt gegen meinen himmlischen Vater, nachdem ich bereits bekehrt war, und habe ihm viel Sorgen gemacht in all den 25 Jahren, die ich mit ihm lebe. Aber ich erkenne nun, dass die größte Sünde nach meiner Bekehrung, das, womit ich Gott am tiefsten betrübt habe, die Vernachlässigung meines Gebets war. Denn diese Vernachlässigung ist die Ursache meiner übrigen Versündigungen und Unterlassungen.“

Am Beispiel dieser Männer des Glaubens erkennen wir, wie wichtig das Gebet ist. Deshalb ermutigen wir jeden zum Gebet. Es ist das Kerngeschehen jedes Glaubenslebens. Im Leben eines reifen Christen sollte es keinen Augenblick mehr geben, in dem er nicht mit Gott in Verbindung steht. Doch alles fängt damit an, dass wir uns Jesus Christus anvertrauen und ihm glauben.

¹ Ole Halesby: „Vom Beten“ – erhältlich in der Buchgalerie.

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