01.10.2016

Toleranz und Grenzen der Toleranz

Wir tendieren heute immer mehr zu einer Haltung des Individualismus. Der andere soll sich gefälligst aus meinen Angelegenheiten heraushalten. Das kann als berechtigte Gegenreaktion zu den Verhältnissen früherer Zeiten gesehen werden, bringt aber auch unerwartete Folgen mit sich. Denn wer die Individualität zu sehr betont, dem bedeuten in der Regel Normen nichts mehr. Was letztlich dazu führt, dass alles nur noch relativ ist. Wenn es aber nichts Verbindliches mehr gibt, ist die Folge nicht selten Orientierungslosigkeit und Überforderung, Einsamkeit, Haltlosigkeit und Identitätskrisen.

Der deutsche Philosoph Friedrich Nietzsche schrieb in seinem Werk „Der Wille zur Macht“: „Das Individuum ist das Absolute, weil es das Absolute, nämlich Gott, eben nicht mehr gibt.“ Damit drückte er im Grunde genommen aus, was viele Menschen heute empfinden, die nach dem Prinzip leben: „Ich bin mir mein eigener Gott. Nur meine Meinung, meine Lustbefriedigung zählt!“

Wahrheitspluralismus und Relativismus

Viele Menschen glauben, dass es keine absolute Wahrheit mehr gibt, auf die man sich verlassen kann. Alles ist relativ, nichts allgemeingültig. Die Folge davon ist, dass jeder sich seine Vorstellung von der Wahrheit macht. Wer jedoch zu Ende denkt, was bei dieser Art der Wahrheitsfindung herauskommt, muss zu der Erkenntnis gelangen, dass es völlig unmöglich ist, dass alle Überzeugungen gleichzeitig wahr sein können. Denn wenn sich jeder seine eigene Wahrheit zusammenbastelt, gibt es überhaupt keine Wahrheit mehr. Doch so weit denken die meisten nicht. Sie leben nach ihrem Gutdünken und bauen ihr Weltbild darauf auf – egal wie inkonsequent und widersprüchlich das sein mag. Tatsache jedenfalls ist: Wenn alles relativ ist, kann jeder sich vormachen, was er will.

Jesus sagt:
„Ich bin das Licht der Welt. Wer mir nachfolgt, der wird nicht wandeln in der Finsternis, sondern wird das Licht des Lebens haben.“
Aus der BIBEL, Johannes 8,12

Dieses relativistische Denken wird selbstverständlich auch auf Gott und den Glauben übertragen. Schließlich lässt sich auf diesem Gebiet ohnehin nichts beweisen. Schon Gotthold Ephraim Lessing war in seinem Schauspiel „Nathan der Weise“ der Meinung, dass die eigentliche Wahrheit nur in den Wahrheiten verborgen sein kann. Damit hat er die Wahrheit durch eine ständige Suche nach der Wahrheit ersetzt. Lessing vertritt damit ein Toleranzverständnis, das sich Fremdreligionen gegenüber als sehr tolerant erweist, Christen gegenüber aber als  als sehr intolerant. Genau das ist der Trend unserer heutigen Zeit. Wir tolerieren jede noch so diskriminierende Ausdrucksform einer Religion –
solange es nicht um Christen geht. Widerspricht diese Art von Toleranz nicht jeglicher Logik? Jeder Vernunft? Wie können Christen, Moslems, Buddhisten, Hindus, Naturvölker, Esoteriker und Geistheiler überhaupt denselben Gott anbeten, wenn sie von völlig verschiedenen religiösen Überzeugungen ausgehen und sich in elementaren Glaubenssätzen völlig widersprechen?
„Hauptsache, ich glaube – egal, was! Hauptsache, es hilft!“ Mit solchen Sätzen wird in unseren Tagen oftmals argumentiert. Aber ist dieser reli­giöse Synkretismus, d. h. diese Vermischung gegensätzlicher religiöser Auffassungen, letztlich nicht logisch unhaltbar? Wie kann ein Christ glauben, dass alle Religionen zu Gott führen, und gleichzeitig ein überzeugter Christ sein, der die Worte Jesu ernst nimmt: „Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater, denn durch mich.“ (Joh. 14,6)

„Toleranz ist die letzte Tugend einer untergehenden Gesellschaft.“
Aristoteles (384 - 322 v. Chr.), griechischer Philosoph

Toleranz und Grenzen der Toleranz

Individualismus, Pluralismus und Synkretismus beherrschen unser persönliches Handeln und Denken wahrscheinlich mehr als wir glauben. Deshalb ist es gut, wenn wir beginnen, diesen religiösen „Mischmasch“ zu hinterfragen, der anscheinend kein Problem darin sieht, wenn christlicher Glaube mit fernöstlichen Religionsinhalten und okkulten oder esoterischen Elementen vermischt wird, als gälte es, daraus ein persönliches Lebenselixier zu extrahieren. Davor kann man nicht deutlich genug warnen, denn so sieht kein ernstzunehmender Glaube an Gott, den Schöpfer des Himmels und der Erde, aus. Das ist vielmehr Polytheismus – also Vielgötterei – in Reinstform. Doch Polytheismus und Glaube an Jesus sind zwei völlig verschiedene Glaubensvorstellungen. Jesus Christus ist nicht auf diese Erde gekommen, um den Menschen nur ein weiteres religiöses Angebot zu bringen, sondern um diese Welt zu erlösen, indem er durch seinen Tod am Kreuz uns Menschen mit Gott versöhnte und uns einen Weg zurück zu Gott ermöglicht. Dass das auch eine Abkehr von anderen religiösen Vorstellungen bedeutet, ist eine Tatsache und sagt uns die Bibel deutlich. In einem Statement des Sozialphilosophen Prof. Dr. Günter Rohrmoser heißt es dazu: „Ich bin Christ, weil das Christentum im Verhältnis zu allen anderen Religionen die absolute, einzig wahre Religion ist. Die Alternative ist, wie die Geschichte gezeigt hat, die Barbarei. Sie kann nur aufgehalten werden, wenn sich Christen, Gemeinden und Kirchen auf ihre Quelle zurückbesinnen (...). Ein gelebtes Christentum ist das Beste, was wir dieser Welt bieten können.“
Nun ist es auch so: Ein Christ darf weder von der einen noch von der anderen Seite vom Pferd fallen. Doch was bedeutet das in einer multikulturellen Gesellschaft? Im Grunde genommen, dass es für einen Christen keine Toleranz ohne Wahrheit, aber auch keine Wahrheit ohne Liebe geben darf. Das heißt, dass wir die Wahrheit bekennen müssen, aber in Liebe (Vgl. dazu Eph 4,15).
Die Wahrheit, die Jesus Christus in die Welt gebracht hat, ist nicht tolerant. Deshalb dürfen auch wir keine Kompromisse eingehen, sonst geht es uns wie dem Menschen, der einst zu einem kommunistischen Professor kam, der ihm sagte: „Ich nehme nur solche Christen ernst, die mich zu bekehren versuchen.“ Dieser Professor, ein erklärter Marxist, hat das Wesen der Wahrheit offensichtlich verstanden – besser als so mancher Christ.

„Du sollst keine anderen Götter neben mir haben.“
Die BIBEL, 2. Mose 20,3

Als Christ in einer Welt vieler Religionen

Christen müssen um ihres Glaubens willen oft Hass und Spott ertragen, Verfolgung und sogar den Tod. Open Doors, eine anerkannte Organisation, die weltweit verfolgte Christen unterstützt, spricht von mehr als 100 Millionen Christen in über 50 Ländern, die derzeit aufgrund ihres christlichen Glaubens verfolgt und unterdrückt werden. Das ist die größte Christenverfolgung aller Zeiten. Nicht wenige dieser Christen werden auch zu Märtyrern. Daran erkennen wir, wie tolerant die Welt, insbesondere die Länder, in denen der Islam vorherrscht, tatsächlich ist. Solange wir in einem europäischen Land leben, das uns Religionsfreiheit garantiert, ist es kein großes Problem, tolerant zu sein. Doch wie ist es, wenn ich als Christ im Iran, in Saudi Arabien, der Türkei oder in Nordkorea lebe? Da zeigt sich, dass der Wahrheitspluralismus, wie wir ihn kennen, die Christen in diesen Ländern leider zu oft vergisst, anstatt ihnen zu helfen. Im Grunde verlangt die Gesellschaft von Christen, wenn sie Toleranz von ihnen erwartet, dass sie auf die Mitte ihres Glaubens verzichten. Dann wären Christen aber keine Christen mehr! Doch wem alles gleich gültig ist, dem wird auch alles gleichgültig. Gut ist dann, was mir nützt. Was zählt sind Ellbogen, Geld, Macht und Einfluss. So sieht eine Welt ohne Wahrheit aus. Ist das nicht die Welt, in der wir heute leben? Die biblische Wahrheit hingegen ist völlig anders. Sie macht sicher, lebenstüchtig und bescheiden, weil sie weiß, dass es einen großer Unterschied gibt zwischen der Wahrheit des christlichen Glaubens und dem Wahrheitsverständnis jedes einzelnen. Jesus Christus als Person ist „die Wahrheit“. (Joh. 14,6)

 

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