01.07.2014

Stille in einer lauten Welt

Hektik und Lärm finden wir heute fast überall; danach brauchen wir nicht lange suchen. Stille jedoch müssen wir suchen und sie uns oftmals auch erkämpfen. Denn Stille ist von großer Bedeutung. Jeder von uns braucht Stille, schon allein aus gesundheitlichen Gründen, aber noch mehr, um zu sich selbst zu finden. Schließlich entsteht alles Leben in der Stille. Ihr entspringt jede Quelle, jede Pflanze, jedes Kind. Währenddessen sind wir umgeben von Lärm, Hektik und einer solchen Betriebsamkeit, dass wir die tagtägliche Geräuschkulisse oft gar nicht mehr wahrnehmen. Radio, Stereoanlage, Computer, Fernseher, Geräusche am Arbeitsplatz, Geräusche auf der Straße, Schreie von Kollegen und Kindern; alles strömt täglich auf uns ein und führt letztlich zu einer Überbelastung für unsere Ohren, was dann leicht Unruhe, Nervosität, Angst und Stress verursachen kann. Dabei sagt uns die Gehirnforschung, dass wir ohnehin nur einen Bruchteil all dieser Laute, Reize und Informationen, die wir empfangen, imstande sind zu verwerten. Der weit größere Teil wird verdrängt. Doch wohin?

Das ist tatsächlich eine wichtige Frage, die wir uns stellen müssen, denn zuviel Lärm macht krank. Das wissen wir. In früheren Jahrhunderten war Lärm eine Unterbrechung der Stille, heute ist es genau umgekehrt. Die Stille unterbricht den Lärm. Das gilt zumindest für Menschen, die in Städten arbeiten und leben, dauernden Verkehrsgeräuschen ausgesetzt sind oder dem Lärm von Maschinen am Arbeitsplatz. Sogar auf Berggipfeln ist das Dröhnen schwerer Motorräder manchmal noch zu hören, obwohl sie vielleicht einige hundert Meter tiefer über eine Passstraße fahren.

Lärm kann viele Gesichter haben

Viele von uns empfinden sogar Werbung als eine Art von Lärm. Das Wort "Reklame" stammt vom lateinischen "clamare", was unter anderem "schreien" heißt. Tatsächlich werden wir von so mancher Werbung förmlich 'angeschrieen' und empfinden dies als unangebrachten und vor allem ungesunden Lärm. Denn Lärm ist nicht nur äußerlich wahrnehmbar, sondern dringt auch in unseren Geist und in unsere Psyche ein. Wer sich einfach mal hinsetzt und versucht, zur Ruhe zu kommen, wird bald merken, dass er sich gar nicht konzentrieren kann. Das zeigt, dass es wirklich 'ruhig' nur sehr selten in uns ist, wenn überhaupt. Wir merken, dass es in unserem Inneren überhaupt keinen 'ruhigen Ort' gibt. Vielmehr herrscht bei den meisten von uns eine ewige Ruhelosigkeit. Dabei muss es gar nicht mal um Hast und Hetze gehen; nein, wir tragen diese Unruhe und den Drang, Stille durch Lautstärke zu übertönen, grundsätzlich in uns, auch wenn es nicht zu unseren Gewohnheiten gehört, uns gegenseitig anzuschreien. Wie oft beginnen wir ein Gespräch angenehm leise und werden dann lauter. Das alles kennen sicher die meisten von uns.

"Seid still und erkennt, dass ich Gott bin! Ich stehe über den Völkern; ich habe Macht über die ganze Welt."
Die BIBEL, Psalm 46,11

Unsere Kultur braucht Stille

Und dennoch: Ein guter Teil unserer Kultur braucht Stille, um überhaupt wahrgenommen zu werden. Ein gutes Buch – wo lesen wir es? In der Stille. Ein schönes Gemälde,  ein eindrückliches Gebäude, traute Stunden der Zweisamkeit, ein tiefgehendes Gespräch mit dem Partner oder mit einem Kind, eine besondere Beobachtung in der Natur oder im Garten; all das nehmen wir nur aus der Stille heraus wahr. Ganz zu schweigen von gründlichem Nachdenken, eingehender Aufmerksamkeit für das, was im Leben wirklich zählt, oder Ergriffenheit von tieferen Erkenntnissen. Gerade dafür brauchen wir Stille. Lärm und Hektik hingegen vertreibt den tiefgründigen menschlichen Geist. Das wird ganz besonders deutlich am Beispiel künstlerischer Inspiration. Welcher Künstler schafft große Werke in Zeiten der Hektik und Betriebsamkeit? Konzentration und Stille hingegen haben schon viele große Werke hervorgebracht. Wer eine Kirche aufsucht, kann diese wohltuende Stille heute noch wahrnehmen. Vielleicht erscheint es uns daher auch fremd und seltsam; doch hinter dieser Stille verbirgt sich die Erkenntnis, dass wir in der Stille Gottes Stimme hören, seinen Willen erkennen und ihn vielleicht auch verstehen können. Weil wir aus der Stille heraus feinfühliger werden für das Wesentliche und deshalb auf Gottes Wirken in unserem Leben und in unserer Welt aufmerksam werden. In der Stille kann Gott zu uns sprechen – vor allem wenn wir sein Wort, die Bibel, lesen und uns Gedanken darüber machen.

Stille ist dort, wo wir Gott finden

In der Stille haben Männer und Frauen zu allen Zeiten Gott gesucht und gefunden. Um Gott in der Stille zu suchen, müssen wir uns allerdings Zeit nehmen und damit beginnen, "in die Stille zu gehen". Selbst Jesus zog sich immer wieder in die Stille zurück. In der Bibel lesen wir davon, dass er sich an einen "einsamen Ort" zurückzog, "um zu beten". Das zeigt, wie wichtig es ist, Gott in der Stille zu suchen und mit ihm zu reden. Gott wünscht sich diesen Kontakt; es entspricht seinem Wesen und für uns ist es eine Quelle der Kraft.

In der Stille sich selbst und Gott erkennen

Wer von uns kennt das nicht aus eigener Erfahrung, dass wir vor allem in der Stille zu uns selbst finden und erkennen, worauf es ankommt? In der Stille können wir auch Gottes Hilfe und Trost erfahren, Fehler erkennen und neue Wege finden. Wenn es um und in uns nur noch durcheinandergeht und das Dunkel von allen Seiten in unser Leben hereinflutet, ist der Weg in die Stille oft das einzige, was uns hilft, um wieder Boden unter die Füße zu bekommen. Wie oft haben christliche Männer und Frauen schon erlebt, dass Gott sie in solchen Zeiten in der Stille beruhigt, getröstet und bewahrt hat. Stille ist der Ort, an dem uns Gott tröstet, wie eine Mutter ihr Kind tröstet oder wie ein Vater, der seinem Kind Ruhe und Sicherheit schenkt.

"Wenn ich Arzt wäre und man mich fragen würde, was das Wichtigste ist, damit Menschen gesund werden, würde ich sagen: 'Schafft Schweigen, denn im Lärm kann man Gottes Stimme nicht mehr hören.'"
Søren Kierkegaard (1813 - 1855), dänischer Philosoph und Theologe

Stille vor Gott – Ort der großen Wunder

Die Stille vor Gott ist vielleicht eines der größten und schönsten Geheimnisse unseres irdischen Daseins. Hier können wir oft die tiefsten Eingebungen, die größten Wunder und die hilfreichsten Gedanken erleben. Allerdings sollte diese 'Stille vor Gott' nie das sein, wohin wir uns nur dann flüchten, wenn wir in Not sind. Und kaum geht es uns besser, kümmern wir uns wieder nicht mehr darum. Vielmehr sollte der Geist Gottes in der 'Stille vor Gott' jeden Tag Raum in uns erhalten – gleichsam als ruhender Mittelpunkt in unserem Leben, als Achse, von der aus wir unser Leben bewältigen, als Fundament, auf dem wir stehen. Wer diese Achse nicht kennt, läuft immer Gefahr, sich in einem Wirbel von Lärm und Geschäftigkeit zu verlieren, ohne je zu sich selbst und zu Gott zu finden. Wer hingegen diese Achse besitzt, hört auf, nur um sich selbst zu kreisen. Die innere Ruhe und Gelassenheit eines Menschen, der an Jesus glaubt, gründet auf dem Versprechen des ewigen Lebens. Dieser Atem der Ewigkeit bringt Ruhe in unser Leben. Eine Ruhe, die wir sonst nicht kennen. Deshalb sagt Jesus: "Ich gebe euch meinen Frieden – einen Frieden, wie ihn die Welt nicht geben kann. Lasst euch durch nichts in eurem Glauben erschüttern!" (Joh. 14,27)

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