24.10.2013

Krisen sind Chancen – für den, der sie nutzt

"Die Krise des Etablierten wird zur Chance der Neuen."
Tom Sommerlatte (*1938),
deutscher Unternehmensberater und Maler

Das geschieht leider öfter, als wir denken. Wie überhaupt in unserer heutigen "Sofort-Befriedigungs-Gesellschaft" Krisen oft nicht durch-lebt werden, weil jede Spannung aus einem übertriebenen Harmoniebedürfnis heraus sofort aufgelöst werden muss. Das trifft vor allem auf viele Beziehungskrisen zu. Wie oft geschieht es, dass Spannungen in einer Beziehung nicht ausgehalten werden. Deshalb kommt es erst gar nicht zu einer Krise, sondern einer der Partner flieht sofort. Die bestehende Beziehung zerbricht und wird aufgelöst. Das alles müsste nicht sein, wenn wir Spannung aushalten würden, statt der Krise durch Flucht die Kraft zur Veränderung zu nehmen.

Krise braucht Kraft

Durchzuhalten in einer Krise verlangt Kraft – mentale, nervliche und seelische Kraft. Die Spannung muss ausgehalten werden, denn erst dann kann sie ihre persönlichkeitsbildende Wirkung entfalten. Das geht nicht bei jedem Charakter gleich, aber jeder Charakter erlebt seine eigenen Krisen.

Krise entfaltet Persönlichkeiten

Ich weiß, wir möchten es anders. Doch die Persönlichkeit eines Menschen entfaltet sich zu einem hohen Prozentsatz in Krisenzeiten. Das mag eigenartig erscheinen, entspricht aber der Lebenserfahrung. Gott mutet uns Menschen Krisen zu, denen wir uns stellen müssen, weil darin unsere Persönlichkeit geschliffen und geformt wird. Er möchte, dass wir zu gereiften Persönlichkeiten werden. Auch unser Glaube an den allmächtigen Gott soll uns Kraft und Mut geben, Dinge in ihrer ganzen Wirklichkeit wahrzunehmen und zu erkennen. Wer in einer Krise Gott als Herrn und Heiland erlebt, kann nach überstandener Krise vielleicht wie Hiob sagen: "Herr, ich kannte dich nur vom Hörensagen, jetzt aber habe ich dich mit eigenen Augen gesehen!" (Hiob 42,5)

"Krise kann ein produktiver Zustand sein. Man muss ihr nur den Beigeschmack der Katastrophe nehmen."
Max Frisch (1911-1991),
Schweizer Schriftsteller und Architekt

Verschiedene Charaktere

Introvertierte Menschen stehen in einer Krise eher in der Gefahr, sich zu isolieren. Der extro­vertierte, impulsive Typ probiert vielleicht, sich mit unqualifiziertem Reden über eine Krise hinwegzumanövrieren. Doch letztlich kommt weder der eine noch der andere darum herum, sich der Situation zu stellen. Wer in einer Krise aushalten kann und bereit ist, sich selbst zu hinterfragen, gewinnt am meisten davon. Denn jeder, der eine Krise als Chance erleben will, muss auch einen Preis dafür bezahlen. Dieser Preis ist letztlich eine Zeit der Unsicherheit, der Herausforderung und der Spannung, aus der heraus dann aber der Gewinn erwächst. Schauen Sie sich die Volksmärchen an. Das sind sehr oft stark verdichtete Lebensweisheiten, in denen die Menschen früherer Zeiten ihre Erfahrungen wiedergegeben haben. Die kleinen oder großen Helden geraten praktisch immer wieder in Krisensituationen, müssen diese bestehen und gehen geläutert und gestärkt daraus hervor. Viele deuten das Gold oder den Schatz, der in Märchen so häufig vorkommt, als Möglichkeit im Leben eines Menschen, in jedem Fall als Gewinn, mit dem es in einem 'neuen Leben' nach der Krise weitergehen kann. 

"Es ist schlimm, erst dann zu merken, dass man keine Freunde hat, wenn man Freunde nötig hat."
Plutarch (um 45 -125 n. Chr.),
griechischer Schriftsteller und Philosoph

Zuerst allerdings kommt es sehr oft darauf an, zu erkennen, wer wir wirklich sind. Das kann für den einen bedeuten, in einem schonungslos ehrlichen Gespräch mit einem Freund oder Therapeuten aus der Isolation herauszufinden, während es für einen anderen wiederum etwas ganz anderes sein kann. Ein qualifizierter Gesprächspartner kann oft eine große Hilfe sein, wenn es darum geht, eine Krise erfolgreich und gewinnbringend durchzustehen, sie zu durch-leben, um dann gestärkt daraus hervorzugehen.
Viele berichten davon, wie wichtig ihnen das Gespräch mit einem geschulten Gesprächspartner in Zeiten der Krise war, den sie oft immer wieder in ihrem Leben aufsuchen. Ob das ein Seelsorger ist, wie die Kirche ihn kennt und eigens zu diesem Zweck eingeführt hat, oder ein Therapeut, der sich dafür bezahlen lässt, oder ob es ganz einfach nur ein guter Freund ist, der die Fähigkeiten dazu besitzt; ein Mensch, der sich die Zeit nimmt und sich mit mir um meine Seele sorgt, ist in jedem Fall ein Geschenk. Denn um diese unsere Seele geht es letztlich, wenn wir in eine Krise geraten. "Liebe deinen Nächsten, wie dich selbst!" Diese Aufforderung Jesu beinhaltet vieles und schafft viele neue Möglichkeiten der gegenseitigen Hilfe und Aufmerksamkeit. Meist fängt es da an, wo ein Mensch sich selbst annimmt und dadurch die innere Freiheit erlangt, andere Menschen anzunehmen, ihnen ihre Schwächen zuzugestehen, ohne sie deshalb fallen zu lassen oder sie unter Druck zu setzen. Genau das braucht ein Mensch in der Krise, wenn er sie mit der Hilfe eines Helfers erfolgreich bewältigen will. Mut ist dazu auf beiden Seiten nötig: sowohl auf der Seite dessen, der in einer Krise steckt, wie auf der Seite dessen, der ihm hilft.

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