01.09.2010

Hilfe, ich muss erziehen!

Lehrkräfte, die sich in den nächsten Monaten wieder mit kaum noch lesbaren Handschriften abquälen, wissen, wie schwierig es geworden ist, jungen Menschen in einer Gesellschaft wie der unseren noch Fachwissen zu vermitteln, geschweige denn Werte. Genau das führt dazu, dass viele Schulabgänger zwar genügend Angebote für eine Ausbildung finden, dafür aber nicht die Voraussetzungen mitbringen, sie dann auch zu bekommen. In Deutschland ist wie aus einem Bericht der Bundesregierung hervorgeht jeder zweite Schulabgänger nicht fit genug für einen Ausbildungsplatz und braucht vorher noch eine spezielle Förderung.

Betriebe schlagen Alarm

Andererseits suchen gerade Handwerksbetriebe händeringend nach jungen Menschen, die sich als Lehrlinge ausbilden lassen und finden keine. Auch in unserer Region bleiben Stellen unbesetzt. Wie der deutsche Handelskammer-Präsident sagt, ist ein Grund dafür, dass zwanzig Prozent der Schulabgänger „nur unzureichend lesen, schreiben und rechnen" können. Wobei er von Jugendlichen spricht, die ihre Schulbildung regulär abgeschlossen haben. Doch eine immer größer werdende Zahl kommt nicht einmal so weit, sondern bricht die Schule vorzeitig ab oder beginnt überhaupt keine Ausbildung. Hinzu kommt, dass die geburtenschwachen Schulabgängerjahrgänge erst noch kommen.  Wenn man Betriebe danach fragt, warum sie, trotz des großen Mangels an Bewerbern, interessierte Jugendliche oft dennoch nicht als Lehrlinge nehmen, wird als Hauptgrund meist „mangelndes Leistungsvermögen und die unzureichende schulische Qualifikation der Bewerber" genannt. Akute Nachwuchsprobleme gibt es bereits in verschiedenen Handwerksberufen, bei Hydraulikern, Metzgern, Tischlern und Elektrikern, aber auch in der Gastronomie und im Lebensmittelhandel. Wer sich fragt, wie es zu dieser Situation kommen konnte, wird nach den Gründen vielleicht gar nicht lange suchen müssen. Viele Eltern sind verunsichert und wissen nicht, wie sie sich ihren Kindern gegenüber verhalten sollen, was oft dazu führt, dass Erziehung erst gar nicht mehr stattfindet.  Nicht selten werden Eltern auch von falschen Ratgebern in die Irre geführt, bis das Erziehungskonzept am Ende völlig scheitert und die Kinder schließlich beginnen, die Eltern zu „erziehen"! Doch was heißt erziehen? Wie kann Erziehung heute überhaupt noch gelingen? Und vor allem wo lassen sich verlässliche Regeln finden, auf die jede Mutter und jeder Vater, unabhängig von pädagogischen Modeerscheinungen und sogenannten „neuesten psychologischen Erkenntnissen", bauen können?  Gibt es solche verlässlichen Regeln noch? Ja, es gibt sie! Und es sind gar nicht so viele, auf die es in der Erziehung wirklich ankommt.

Verwöhnung

Verwöhnung - Der sicherste Weg zur Lebensuntüchtigkeit

„Sehen Sie, ich habe keinen Einfluss mehr auf mein Kind“, sagt eine Mutter der Lehrerin, die sich über das schlechte Benehmen eines Schülers beklagt. Und das ist leider kein Einzelfall. Denn seit die in den sechziger Jahren aufgekommene Theorie der antiautoritären Erziehung sich durchgesetzt hat, geht es vielen Eltern so. Am Ende fragen sie sich, warum ihr Erziehungsversuch so kläglich gescheitert ist. Viele Väter und Mütter sind beruflich stark engagiert. Ihnen bleibt oft nur wenig Zeit für die Kinder. Was nicht selten zu einem schlechten Gewissen führt, aus dem heraus sie beginnen, ihr Kind zu verhätscheln. Meist wird der Mangel durch materielle Dinge kompensiert.  Dann wird gekauft, was das Kind sich wünscht und es wünscht sich immer mehr. Bis seine Eltern feststellen, dass ihr Kind dadurch gar nicht glücklicher und schon gar nicht zufriedener wird. Doch was tun, wenn das Kind schon wieder nach dem nächsten Spielzeug verlangt, um, wie es glaubt, damit glücklich zu werden? Es wird gekauft. So entsteht eine Negativspirale, die am Ende nur schwer zu durchbrechen ist. Denn wie könnten Eltern ihren Kindern auch helfen, mit Hab und Gut richtig umzugehen, solange sie es selbst nicht können.

Eigene Einstellung

„Wir könnten erzogene Kinder gebären, wenn wir selbst erzogen wären."
J. W. v. Goethe

Solange Vater oder Mutter selbst davon überzeugt sind, dass Erfolg, Schönheit, Intelligenz, Geld, Einfluss und vor allem materieller Wohlstand die wichtigsten Voraussetzungen für ein glückliches Leben sind, werden sie es auch den Kindern bewusst oder unbewusst so vermitteln. Denn was wir denken, bestimmt unser Handeln, und wie wir handeln, prägt unsere Erziehung und damit unsere Kinder.

Bedürfnisse unterscheiden

Jede Mutter und jeder Vater muss wissen, was echte und was unechte Bedürfnisse eines Kindes sind, und muss lernen, die einen von den anderen zu unterscheiden.

Wenn ein Kind auf die Welt kommt, ist es angewiesen auf die Liebe und Fürsorge der Mutter. Ihre Wärme und Nähe gibt ihm Sicherheit und Geborgenheit. Dennoch muss eine Mutter zwischen Quengeln, grundlosem Schreien und einem echten Bedürfnis unterscheiden lernen. Geschieht das nicht, läuft schon in dieser frühen Phase etwas sehr Entscheidendes schief.  Selbstverständlich sollte ein echtes Bedürfnis immer gestillt werden, sonst fühlt sich das Kind ungeborgen und verlassen. Doch nicht jedes Schreihen geht auf ein echtes Bedürfnis zurück. Denn es gibt auch unechte Bedürfnisse und dagegen muss möglichst früh angegangen werden. Schon ein Krabbelkind sollte lernen, dass das Wörtchen "Nein" eine Bedeutung in seinem Leben hat.  Im Kindergarten- und Schulalter wachsen die Ansprüche dann noch einmal. Das Kind sieht, was andere besitzen, und meint, dass ihm diese Dinge selbstverständlich auch zustünden. Dann entsteht Druck, der nun auf die Eltern ausgeübt wird. Das Kind schmollt, weint oder reagiert mit Aggressivität.  Viele Mütter und Väter werden jetzt schwach und geben nach und das Kind kriegt wieder, was es verlangt. Sobald ein Kind aber erst einmal weiß, wie es seine Ziele erreichen kann, wird es diese Methode immer wieder anwenden.  Am Ende übernimmt es die Kontrolle und die Eltern springen und schaffen herbei, was es sich wünscht. Doch der Haken an der ganzen Sache ist, dass ein Kind durch die Befriedigung all seiner Wünsche nicht glücklicher wird. Im Gegenteil seine Ansprüche werden nur immer größer und mit ihnen das Gefühl der Unzufriedenheit. Diesem Erziehungsdilemma kann nur entkommen, wer in seinem eigenen Leben gelernt hat, echte von unechten Bedürfnissen zu unterscheiden. Denn nur wer diese Erfahrung selbst gemacht hat, kann sie auch auf die Erziehung seiner Kinder anwenden. Leider ist das heute immer seltener der Fall. Deshalb ist hier einer der Gründe zu finden, warum Erziehung nicht gelingt. Es gibt aber auch andere Ursachen.

Wachsende Ansprüche

Wir alle kennen Menschen, die immer irgendwelche Privilegien und Sonderbehandlungen fordern. Sie glauben, ihnen stünden Vorteile von Natur aus zu. Sie sind nicht teamfähig und können sich nur sehr schlecht an Regeln halten.

Aber wir können in unserem Leben nun mal nicht alles haben. Je früher ein Mensch das lernt, desto besser kommt er später damit zurecht. Denn niemand ist gern in Gesellschaft von Egoisten, die nur sich selbst und ihre Wünsche sehen.  Der Nährboden für diesen Egoismus wird schon früh gelegt. Meist von Eltern, die es „so gut meinen", dass sie ihrem Kind nichts abschlagen können. Sie treffen zwar vielleicht Vereinbarungen mit dem Kind, doch sie unternehmen nichts, wenn die Vereinbarungen nicht eingehalten werden. Das Leben funktioniert aber nun mal nur, wenn Spielregeln eingehalten werden. Wenn gut meinende Eltern dem Kind alle Schwierigkeiten aus dem Weg räumen, unterminieren sie jede gesunde Entwicklung des Kindes. Um die Frage nach der richtigen Erziehung zu beantworten, stellte eine pädagogische Kommission einmal die Frage auf den Kopf: "Was muss ich tun, damit mein Kind mit dem Leben nicht zurecht kommt und straffällig wird?" Die Antworten, zu denen die Kommission kam, waren folgende: 

  1. Fangen Sie früh an, dem Kind alles zu geben, was es will. 

  2. Geben Sie ihm keinerlei religiöse Erziehung.

  3. Versuchen Sie, das Wort „Unrecht" zu vermeiden. 

Der französische Philosoph und Pädagoge Jean-Jacques Rousseau (1712 - 1778), der ansonsten als sehr tolerant galt, meinte: "Kennt ihr das sicherste Mittel, euer Kind unglücklich zu machen? Gewöhnt es daran, alles zu bekommen! Denn seine Wünsche wachsen unaufhaltsam mit der Leichtigkeit ihrer Erfüllung." Es sind die übervollen Kinderzimmer, der ungeregelte Fernsehkonsum, das übermäßig hohe Taschengeld, das willkürliche Aufgeben von getroffenen Vereinbarungen, das Wegräumen jedes Hindernisses und das Abnehmen jeglicher Verantwortung, die einem Kind zwar vorgeben zu helfen, ihm letztlich aber schaden.  Wo immer ein Kind so erzogen wird, dass es glaubt, alles sei auf die leichteste Art zu bekommen, wird es mit Frustration und Bitterkeit reagieren, wenn es später feststellen muss, dass dieses Erfahrungsprinzip nicht stimmt.

Wertevermittlung 

Christliche Erziehung ist Werteerziehung. Das geht gar nicht anders. Doch christliche Wertevermittlung ist heute schwieriger als je zuvor. Wie kann sie dennoch gelingen?

Die moderne Gesellschaft kennt keine verbindlichen Werte mehr. Das ist eine Tatsache, die zwar schwer verständlich ist, aber der Realität entspricht. Wertepluralismus mag als Unwort angesehen werden, dennoch beschreibt es die moderne Vorstellung von Werten.  Wenn christliche Eltern ihre Kinder zu starken Persönlichkeiten erziehen möchten, die selbstständig, selbstbewusst, belastbar, entscheidungsfreudig und leistungsbereit sind, mit hoher Selbstdisziplin, großem Fleiß und im sozialen Bereich kooperationsfreudig, hilfsbereit und verantwortungsvoll und zudem als Menschen, die fest im Glauben stehen, stellt sich die Frage, wie dieses hohe Erziehungsziel heute noch erreicht werden kann.  Eines ist sicher! Kinder brauchen Werte, an denen sie ihr Leben ausrichten können. Das gilt für das Kleinkind wie für das Schulkind, den Teenager wie den Jugendlichen. Denn Kinder wollen wissen, woran sie sind und wie sie sich verhalten sollen. Sie müssen unterscheiden können zwischen richtig und falsch, gut und böse. 

Wertevermittlung geschieht durch das Leben und die Lebensgestaltung

Die ersten Wertvorstellungen vermitteln wir durch unser eigenes Leben, wie wir uns benehmen, miteinander umgehen, voneinander reden, über andere reden.

Unser alltägliches Verhalten, auf das wir in der Regel nicht besonders achten, hat die stärkste erzieherische Wirkung

Deshalb müssen wir uns immer wieder fragen, was unsere Wertvorstellungen im Alltag sind: der Umgang der Eltern miteinander, die Achtung der Menschen um uns herum, das Verhalten in Stresssituationen und in der Freizeit.  „Es zeigt sich nämlich, dass Erziehung zu Werten ganz früh und mit ganz kleinen Dingen beginnt, dass sie aus wirklich alltäglichen, einfachen, scheinbar selbstverständlichen Verhaltensweisen entsteht", so schreibt Wayne Dosick in seinem Buch „Kinder brauchen Werte". Jede Kleinigkeit ist von Bedeutung, wie Aufmerksamkeit, Zuneigung, Liebkosungen, Zuhören, Wertschätzung, Ehrlichkeit, Wahrhaftigkeit, Nachdenklichkeit, Ablehnung, Zurückweisung, Geduld, Ungeduld, Eindeutigkeit, Zwiespältigkeit, Zeit haben, keine Zeit haben, frohe Atmosphäre, eisige Kälte, Schimpfen, Klagen, Strafen u. v. a. m. All das hat Auswirkungen auf die Wertevermittlung.  Kinder beobachten ihre Eltern, als Mann und Frau, als Ehemann und Ehefrau, als Liebhaber, als Partner, als Freunde, als liebende Menschen. Kinder erleben die Eltern, wie sie ihren Glauben leben, mit Gottes Wort umgehen, beten, kurz: die Auswirkung der Erlösung und die Frucht des Glaubens. 

Werte werden vermittelt durch das Erzählen biblischer Geschichten

Wenn ein Kind in das Alter kommt, wo man anfängt, ihm Bilderbücher zu zeigen, Geschichten vorzulesen und zu erzählen, dann ist das eine der schönsten Möglichkeiten, dem Kind Werte zu vermitteln.  Das Kind übernimmt sozusagen spielerisch Werte und Werthaltungen, es lernt, warum es wichtig ist, zwischen gut und böse zu unterscheiden, und wie Gott sich das Zusammenleben der Menschen vorgestellt hat.  Darum gilt es, sehr genau darauf zu achten, welche Bücher und Geschichten vorgelesen und erzählt werden und was für Bücher die Kinder später selber lesen. 

Kinder brauchen (und lieben) Rituale und Regeln 

Wenn Sie als Vater oder Mutter ihrem Kind vor dem Zubettgehen eine biblische Geschichte vorlesen, anschließend noch kurz miteinander darüber reden und dann den Tag mit Gebet abschließen, wird das ihrem Kind gut tun.  Lebensregeln wurden früher durch Tradition vorgegeben. In unserer pluralistisch-individualistischen Gesellschaft muss jede Familie selber solche verbindlichen Regeln und Traditionen entwickeln. Das ist keine leichte Aufgabe. Doch es gibt viele Situationen, die sich dazu anbieten, z. B. das Tischgebet. Wenn Eltern glauben, dass Jesus ihr Erlöser ist, zeigt sich das darin, dass sie einander vergeben können und auch ihre Kinder gegebenenfalls um Vergebung bitten können, wenn das einmal notwendig sein sollte.  Das Vorbild der Eltern spielt immer eine wichtige Rolle. Wer z. B. selber nicht leistungsbereit ist, jede Schwierigkeit nur vor sich her schiebt und klagt, dass andere Schuld sind, wenn es ihm schlecht geht, kann nicht von seinen Kindern erwarten, dass sie es anders machen.  Das gilt für alle Werte, die Eltern vertreten oder bei denen sie möchten, dass ihre Kinder sie übernehmen. Es wäre darum nötig, dass Eltern sich Gedanken machen, welche Werte sie unbedingt den Kindern vermitteln wollen, um sich dann zu fragen, durch welche Lebensregel diese Werte abgedeckt werden. 

Werte werden vermittelt durch eine bewusste Glaubenserziehung

Eine bewusste Erziehung zum christlichen Glauben; was ist darunter zu verstehen? 

Dass Eltern ihren Glauben heute noch bewusst, konsequent und authentisch leben und ihre Kinder an ihrem Glauben teilnehmen lassen, ist nicht selbstverständlich; doch es ist wichtig für Eltern, die möchten, dass auch ihre Kinder diesen Schatz des Glaubens für ihr Leben entdecken.

Wie kommt es zu einer Verankerung der Werte im Leben des Kindes? 

Ob ein Mensch an Werten festhält oder sie wieder aufgibt, hat nicht in erster Linie mit dem Denken zu tun, sondern mit dem Gemüt. Die Bibel spricht vom Herzen. Werte, die ein Leben lang Bestand haben, haben ihren Sitz im Herzen bzw. im Gemüt.  Das Gemüt umfasst unser Denken, Fühlen und Erkennen, unsere Interessen, Liebeskräfte wie auch unseren Glauben und unser Vertrauen. Damit ist das Gemüt die Quelle für die emotionale und soziale Entwicklung und Einstellung des Menschen.  Was nur mit dem Kopf erfasst und erkannt wird, hält meist nicht lange an, nur was im Herzen verankert ist, vollzieht sich auch in der alltäglichen Lebensgestaltung. Wertevermittlung kann schon allein deshalb nie ein rein intellektueller Vorgang sein. Wertevermittlung hat immer etwas mit dem ganzen Leben und dem ganzen Menschen zu tun. Werte, die wir vermitteln wollen, müssen gelebt und über das Leben gelehrt werden. Was an Gemütserziehung versäumt wird, kann durch keine intellektuelle Erziehung wieder gutgemacht werden.  Eine Gemütserziehung beinhaltet immer das ganze Leben: Freude und Leid, Spiel und Spaß, Verzicht und Überfluss, Arbeiten und Freizeit, Lachen und Weinen, Feste und Feiern, Konflikt und Auseinandersetzungen, Glauben und Zweifeln, Erfolg und Niederlage u. v. m.

Wertevermittlung in der Erziehung erfolgt durch

  • Gewohnheiten
    Das sind Lebensregeln, die in einer frohen und liebevollen Weise gelebt werden.

  • Lebensstil
    Die Lebensauffassung, also die Einstellung zum Berufsleben, zu Besitz, Geld, Politik und gesellschaftlichen Entwicklungen, zur Kultur und Kunst und dem Verhalten anderen Menschen gegenüber.

  • Denken
    Damit ist unsere Lebensphilosophie und unser Glauben gemeint.

In all diesen Bereichen zeigt sich, welche Werte wir haben und leben und in all diesen Bereichen vermitteln wir Werte an unsere Kinder, die es uns danken, wenn wir Werte in unserem Leben vertreten, die von Bestand sind wie christliche Werte es nun einmal seit Jahrtausenden schon beweisen.

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