23.07.2013

Das ABC des Glaubens

E – Gott erkennen

Hinwendung zu Gott umfasst immer den ganzen Menschen. Das Gefühl ist genauso beteiligt wie der Verstand. Kopf und Herz sind in gleicher Weise gefordert, wenn es darum geht, Gott zu begegnen. Gott ist als Schöpfer unermesslich größer als das Geschöpf. Und weil er nicht bloß der Gott eines Teilbereichs ist, sondern Alles in Allem umfasst, kann es gar nicht anders sein, als dass wir alle unsere Sinne einsetzen müssen, um zu versuchen, ihn zu erfassen. Jesus hat diese Tatsache so ausgedrückt: „Du sollst Gott, deinen Herrn, lieben von ganzem Herzen, ganzer Seele, mit all deiner Kraft und deinem ganzen Verstand.“ (Matthäus 22,37)

„Alles wanket, wo der Glaube an Gott fehlt.“
Friedrich Schiller (1759 -1805), Dichter

Gott zu begegnen schließt Denken, Fühlen, Wollen, Handeln und alles andere mit ein. Deshalb ist es wichtig, dass wir uns auf dem Weg zu Gott auch um gedankliche Erkenntnis Gottes bemühen. Verstand und Denken sind gefragt. Dabei ist ganz klar: Wenn ein sterblicher Mensch, der in Raum und Zeit eingebunden ist, den unsterblichen ewigen Gott erfassen will, so ist das von Anfang an ein Ding der Unmöglichkeit. Es ist, als wollte ein Kind mit einem Plastikeimer den Ozean ausleeren. Selbst wenn alle Kinder und Erwachsenen dieser Welt gleichzeitig daran arbeiteten, würde es nicht gelingen. Und so stehen wir vor einem Dilemma: Auf der einen Seite sollen wir uns um Erkenntnis Gottes bemühen. Auf der anderen Seite wissen wir, dass das nicht gelingen kann, jedenfalls nicht auf dem Weg menschlicher Anstrengung. Glücklich, wer überhaupt bis zu diesem Punkt der Erkenntnis vorstößt!

Doch hier kommt uns Gott zu Hilfe, wenn wir ihn darum bitten. Er hat einen Weg vorbereitet, auf dem wir ihn erkennen können. Es ist ein doppelter Weg. Erstens lädt er uns auf ein Lebens-Experiment ein. Dieses Experiment ist der gelebte Glaube, das Vertrauen auf die Gegenwart Gottes im Alltag. Auf diesem Weg lernen wir Gott Stück für Stück kennen. Und zweitens sendet Gott seinen Geist in unser Herz, kommt uns nahe und erleuchtet uns, so dass wir ihn erkennen – in der Kraft und Wirklichkeit seines Geistes. Dass das geschieht, darum können wir ihn bitten.

G – Glaube wagen

Was bedeutet nun Glaube an diesen Gott? Ist es ein vages Vermuten, ein Nicht-Genau-Wissen? Eine schwache Hoffnung, die sich auf Wünschen und Hörensagen gründet? Das biblische Verständnis von „Glauben“ ist etwas ganz anderes. Um das zu verstehen, müssen wir in die biblischen Ursprachen schauen – Hebräisch für das Alte Testament, Griechisch für das Neue. Das hebräische Wort für Glauben bedeutet eigentlich „fest gründen, sich auf etwas stellen“. Glauben heißt also, sich auf eine Grundlage stellen, die fest steht. Nicht der Glaube muss fest sein, sondern das, worauf er gründet. Eine ähnliche Wortbedeutung finden wir im Griechischen, wo das Wort die Bedeutung „festmachen, anheften“ hat. Beim Glauben ist also nicht die Frage, wie stark oder überzeugt der Glaube selbst ist, sondern ob das, woran einer glaubt, glaubwürdig und verlässlich ist.

„Der Mensch ist unglücklich, weil er nicht weiß, dass er glücklich ist.“
Fjodor M. Dostojewski (1821-1881), russischer Schriftsteller

An Gott glauben heißt deshalb nicht, sich rein vom Kopf her vorzustellen, dass es einen Gott geben könnte, und Für und Wider dieser Ansicht abzuwägen. Sondern an Gott glauben umfasst den ganzen Menschen, sein Denken, Fühlen und Wollen. Und nicht zuletzt auch das, was er tut. Ein Bild kann das am Besten verdeutlichen. Stellen wir uns vor, im Winter ist ein Teich zugefroren. Auf der Eisdecke sind viele unterwegs, laufen auf Schlittschuhen oder fahren mit dem Schlitten. Ein Mensch steht am Rand und fragt sich, ob das Eis wohl auch ihn halten wird. Die anderen winken ihm zu, ermutigen ihn, auch den Schritt auf die Eisdecke zu wagen. Er wird nur dann Gewissheit über die Frage bekommen, ob das Eis auch ihn trägt, wenn er es wagt, das sichere Ufer zu verlassen und sich auf das Eis zu begeben.

„Wir unterschätzen das, was wir haben, und überschätzen das, was wir sind.“
Marie von Ebner-Eschenbach (1830 -1916), österreichische Schriftstellerin

So ist es auch mit dem Glauben: Er ist die Antwort auf Gottes Zusage, dass er bei uns sein will. An Gott glauben heißt, sich ganz auf ihn zu verlassen. Ihn an die erste Stelle zu setzen und dann zu erleben, dass Gott nicht bloß ein Gedanke, eine Theorie oder vage Idee ist. Wer es wagt, Gott sein ganzes Leben anzuvertrauen, wird Wunder erleben.

I – Identität

Zu Gott finden bedeutet immer auch, zu sich selbst zu finden. Denn Gott ist der Schöpfer unseres Lebens. Von ihm erhalten wir alles, was uns zu Menschen macht. Er ist der Ursprung unserer Identität. Häufig wird jedoch diese Aussage umgedreht. Es wird gesagt: „Wenn wir in uns selbst suchen, dann finden wir Gott.“ Doch das stimmt nicht, und zwar aus mehreren Gründen.

„Um an die Quelle zu kommen, musst du gegen den Strom schwimmen.“
Sprichwort

Erstens: Gott ist Gott und der Mensch ist ein Mensch. Gott ist der Schöpfer, wir seine Geschöpfe. Es besteht ein unendlicher Abstand zwischen dem ewigen Gott und uns von Zeit und Raum begrenzten Menschen. Der zweite Grund ist ebenso bedeutsam: Gott ist heilig, unendlich weise und gut. Wir Menschen jedoch sind, so sagt es die Bibel, gekennzeichnet von Sünde. Anders ausgedrückt: Wir haben uns von Gott abgewendet. So finden wir bei uns selbst beides: Auf der einen Seite als Geschöpfe Gottes ein Stück von ihm – das, was die Bibel als „Gottes­ebenbildlichkeit“ beschreibt. Und auf der anderen Seite genau das Gegenteil, nämlich die Zerstörung dieser Wirklichkeit. Das alles hat direkte Auswirkungen auf unsere Identität, also auf die Frage, wer wir eigentlich sind. Wir haben eine Ahnung davon, von woher wir kommen. Die Bibel sagt, dass Gott uns „die Ewigkeit ins Herz gelegt“ hat. (Prediger 3,11) Auf der anderen Seite ist diese aus Gott stammende Identität in uns entstellt; stattdessen „ist das Dichten und Trachten des Menschen böse immerdar.“
(1. Mose 6,5) Diese Spannung beschreibt die Identität von uns Menschen ohne Gott.

„Wie man glaubt, so geschieht einem.“
Sprichwort

Doch ist das nicht das Ende. Durch die Erlösung, die Jesus Christus in diese Welt gebracht hat, können wir zu neuen Menschen werden. „Ist jemand in Christus, so ist er eine neue Schöpfung, das Alte ist vergangen, siehe, Neues hat begonnen.“
(2. Korinther 5,17)
Wir können unsere wahre Identität wieder entdecken, wenn wir durch Jesus Christus (neu) zu Gott finden. Der Kirchenvater Augustinus hatte durch die Begegnung mit ihm eine völlige Lebenserneuerung erfahren. In seinem Buch „Bekenntnisse“ drückt er es so aus: „Zu dir hin, Gott, hast du uns erschaffen, und unruhig ist unser Herz, bis es Ruhe findet in dir.“

B – Beten hilft

Untersuchungen haben ergeben, dass fast alle Menschen beten. Egal, ob religiös oder nicht – hier gibt es kaum Unterschiede. Das erstaunt. Spätestens wenn es uns wirklich schlecht geht, schicken wir ein Gebet zum Himmel. Ganz tief im Innern weiß oder ahnt jeder Mensch, dass es eine höhere Macht gibt. Das gilt für alle Völker und Kulturen. In vielen Religionen ist das Gesicht dieser „höheren Macht“ jedoch zweischneidig: Man empfindet eher Furcht als Vertrauen und sucht nach Wegen, um sich vor dieser unberechenbaren Macht zu schützen. Denn für diese Völker und Religionen ist Gott der große Unbekannte, über den man wenig oder nichts weiß. Manche Menschen hingegen glauben nur an ein unpersönliches Schicksal, eine Art kosmische Maschine oder abstraktes System. Darum wenden sie sich an Mächte, die ihnen näher und ansprechbarer erscheinen, wie Geister, Engel und spirituelle Wesen, in der Hoffnung, dass diese sie hören und beschützen.

„Wer immer tut, was er schon kann, bleibt immer das, was er schon ist.“
Henry Ford (1863-1947), Gründer des Auto­mobilherstellers Ford Motor Company

Mitten in dieses verwirrende Bild hinein fallen die Worte von Jesus Christus, in denen er erklärt, wie wirkliches Beten aussieht: „Bittet, so wird euch gegeben! Suchet, so werdet ihr finden! Klopft an, so wird euch aufgetan!“ (Matthäus 7,7) So einfach und direkt soll das Gespräch mit Gott sein? Die Frage, die hinter unserem Zweifel steckt, lautet: Wie ist Gott eigentlich? Denn allein davon hängt ab, wie wir beten können. Und auch hier gibt Jesus eine klare Auskunft: „Wenn schon ihr euren Kindern gute Gaben gebt, wie viel mehr wird euer Vater im Himmel denen gute Gaben geben, die ihn darum bitten!“ (Matthäus 7,11) Das ist der Schlüssel: Gott, der Allmächtige, der alles geschaffen hat, will sich uns als „unser Vater“ zeigen. Wer Gott so kennenlernt, für den ist Gebet keine Pflichtübung mehr, sondern Ausdruck einer ganz persönlichen Beziehung. Diese Einladung wird am Anfang des Johannesevangeliums so ausgedrückt: „Allen, die Jesus aufnahmen, gab er das Recht, Gottes Kinder zu sein.“ (Johannes 1,12) Wer das erlebt, für den gibt es keinen Zweifel mehr: Beten hilft.

F – Frieden finden

Frieden – dieses Wort steht ganz oben auf der Wunschliste vieler Menschen. Friedensgebete und Demonstrationen für den Frieden ziehen Tausende an. Wir sind bereit, uns für Frieden einzusetzen. Und doch scheint unsere Friedensfähigkeit nur begrenzt. Das zeigen die unzähligen kriegerischen Auseinandersetzungen, die allein in den letzten Jahrzehnten stattgefunden haben. Dabei müssen wir nicht erst in die große Politik gehen, um zu merken, wie schwer das mit dem Frieden ist. Schon in den kleinsten Gemeinschaften, in Familien und Nachbarschaften, unter Freunden und am Arbeitsplatz ist es nicht leicht, Frieden zu halten. Die Unfähigkeit – oder auch Unwilligkeit – zum Frieden hat ihre Ursache im Inneren des Menschen und wirkt sich in allen Bereichen aus.

„Gottes Schutz scheint uns leicht entbehrlich, solange wir ihn besitzen.“
Antonius von Padua (1195-1231), Franziskanermönch, Theologe, Prediger

Die Bibel sagt, dass Gott ein „Gott des Friedens“ ist (z. B. Römer 15,33; 1. Thessalonicher 5,23).
Und darum sind bei ihm Ursprung und Quelle des Friedens zu finden. Wenn Gott uns nahe kommt, erfahren auch wir seinen Frieden. Er möchte uns im umfassenden Sinn mit seinem Frieden beschenken. Er lädt uns ein, „Frieden mit Gott“ zu schließen. Die Grundlage dafür ist, dass Gott mit uns schon Frieden geschlossen hat, als Jesus Christus am Kreuz stellvertretend für uns starb. Er hat unsere Schuld auf sich genommen und die Kluft, die uns von Gott trennte, überbrückt. Gott hat die Feindschaft der Menschen, die nichts von ihm wissen wollten, überwunden und hat uns zu seinen Freunden gemacht. Wer das annimmt, kann nun zu ihm „Vater“ sagen und gehört in seine Familie. Die Erfahrung, dass alles vergeben ist, erfüllt nun auch unser Herz mit dem Frieden Gottes. So ist dieser Friede nicht nur ein „objektiver Tatbestand“, sondern kann zu einer persönlichen Erfahrung werden.

„Werde Christ und du kannst ein Kind von ganzem Herzen werden. Dann ist das Himmelreich schon dein hier auf Erden.“
Angelus Silesius (1624 -1677),deutscher Dichter des Barock

Wer Frieden mit Gott gefunden hat, kann auch lernen, mit anderen in Frieden zu leben. Gottes Frieden erfasst dann alle Bereiche des Lebens. So können wir wirklich Frieden finden, auch im Hinblick auf die eigene Lebensgeschichte.

V – Versöhnung

Versöhnung ist ein Grundwort der Bibel. Und dennoch wird dieses Kern-Thema häufig vernachlässigt. Vielleicht liegt es daran, dass Versöhnung gar nicht so leicht umzusetzen ist. Versöhnung hat nämlich – wie eine Brücke – immer zwei Seiten und beide sind grundlegend für den biblischen Glauben: Die eine betrifft unsere Beziehung zu Gott und die andere unsere Beziehungen untereinander. Versöhnung ist also ganz zentral für unser Leben.

Die Kluft

Am Anfang schuf Gott den Menschen als sein freies Gegenüber. Die Beziehung war ungetrübt, die Menschheit lebte im Einklang mit ihrem Schöpfer. Doch dann kam eine Störung, die alles veränderte. Wir Menschen entschieden uns, aus der innigen Beziehung zu Gott herauszutreten und seinen Worten zu misstrauen.

„Das entschieden Charakteristische dieser Welt ist ihre Vergänglichkeit.“
Franz Kafka (1883 -1924), deutscher Schriftsteller

So entstand eine Kluft zwischen den Geschöpfen und ihrem Schöpfer, die weitreichende Folgen hatte. Die Menschen wurden von Gott, dem Ursprung des Lebens, entfremdet und auch zwischen den Menschen tat sich diese Kluft auf. Misstrauen, Missverständnisse, Streit, Hass, Furcht voreinander und Kampf gegeneinander beherrschen seitdem unsere Wirklichkeit.

Die Brücke

Doch Gott bereitete von Anfang an einen Weg, um diese Trennung zu überwinden und die Kluft zu überbrücken. Gott ließ uns nicht allein, sondern sandte immer wieder von neuem sein Wort und seine Hilfe. Sein Ziel war es, die Menschen mit sich selbst zu versöhnen. Das hebräische Wort für „Versöhnung“ im Alten Testament und das griechische Wort für „Versöhnung“ im Neuen Testament zeigen die zwei Aspekte dieses Heilungsweges: Bedecken der Schuld und die Wiederverknüpfung der unterbrochenen Verbindung. Beides geschieht durch Jesus Christus, der stellvertretend unsere Schuld trug und als Mittler zwischen Gott und uns selbst zum Weg der Erlösung wurde. Die Bibel drückt dies unübertrefflich aus: „Gott war in Christus und versöhnte die Welt mit sich selbst.“ (2. Korinther 5,19)

„Die Stunde des Todes ist die Stunde der Wahrheit.“
Christine von Schweden (1626 -1689), Königin von Schweden

Aus dieser Versöhnung mit Gott kann und soll die Versöhnung untereinander wachsen. Christen sind Menschen, die annehmen, dass Gott sie mit sich versöhnt. Und die dann auch anfangen, mit anderen diesen Weg der Versöhnung zu gehen.

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