01.09.2020

Tal der Liebe

In vergangenen Jahrhunderten zeigten die Versuche auf diesem Gebiet erschreckende Ergebnisse. Werden Kinder nicht gefordert und einbezogen, kommuniziert man nicht mit ihnen und zeigt ihnen keine Zuneigung, verkümmern sie nicht nur seelisch, sondern auch körperlich. Doch solch vernachlässigte Kinder gab es nicht nur bei Experimenten in längst vergangenen Zeiten, sondern es gibt sie bis heute: Kinder, deren Eltern und Umfeld kein Interesse an ihnen haben und sie vollkommen sich selbst überlassen.

So ein Kind war auch der kleine Günther, der 1914 zur Welt kam. Tagein tagaus liegt er in derselben Kammer. Er kennt nichts weiter, als diesen kleinen Raum, die lieblose Versorgung mit dem Nötigsten durch seine Großmutter und seine einzige Freude ist das rot-karierte Tischtuch, das manchmal bei seinen Nachbarn zum Trocknen aufgehangen wird und dann durch sein Fenster zu sehen ist. Von Förderung kann hier überhaupt keine Rede sein. Der kleine Günther wird vernachlässigt. Er kam nicht gesund zur Welt, sondern mit körperlichen Behinderungen, die ihn für seine Familie zu einem „Nichts“ machen – und das bekommt er zu hören und zu spüren. Bis sie ihn eines Tages einfach loswerden wollen und in Bethel, dem großen Heim für Menschen mit Behinderung, abgeben.

Hier ist alles anders. Hier wird Günther geliebt. Hier ist er kein „Nichts“ mehr. Mit ihm wird gesprochen, er darf mit anderen Kindern im Sonnenschein sitzen, er darf Weihnachten feiern und Geschichten hören. Und so geschieht das Unglaubliche: Aus dem stummen Jungen, der kaum ein Körperteil benutzen kann, wird ein guter Schüler, der gerne singt und mit seinen Freunden auf Wiesen und Bauernhöfen herumläuft.

Doch Günther lebt in einer Zeit, in der in Deutschland Menschen an die Macht kommen, die überzeugt sind, dass er ein „Nichts“ ist. Wie soll es nun weitergehen im „Tal der Liebe“?

Diese wahre Begebenheit ist eine Ermutigung für jeden, der sich ungeliebt und unbrauchbar fühlt. Sie ist aber auch eine Motivation für die, die Hoffnung in ihre Kinder vielleicht schon aufgegeben haben und eine wunderbar packende
Geschichte für alle, die nach einer tiefgründigen, aber leicht zu lesenden Lektüre suchen. Dabei kann es nicht schaden, ein Taschentuch bereit zu halten, denn die Geschichte von Günther und seinen Freunden lässt niemanden kalt und
nebenbei kann man eine ganze Menge von ihnen lernen.

Für Sie rezensiert von Marie Piepersberg

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